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Feier der Gemeinde Buchegg, Gossliwil

Ansprache «Was die Schweiz zusammenhält»

von Frau Regierungsrätin Brigit Wyss

Vorsteherin Volkswirtschaftsdepartement Kanton Solothurn

 

Es gilt das gesprochene Wort

 

Liebe Anwesende

 

Der 1. August war für mich schon als Kind in Lüsslingen etwas Besonderes gewesen. Das ganze Dorf auf den Beinen, eine grosse Vorfreude, Lampions, ein riesiges Feuer, Bratwürste und eine gemütliche, versöhnliche Stimmung. Und Feuerwerk hat es auch schon damals gegeben; aber – im Gegensatz zu heute – sehr viel weniger.
Es erstaunt mich deshalb nicht, dass die Initiative für Einschränkungen von privaten Feuerwerken heute gewisse Sympathien geniesst.
Die Initianten haben aber aus gutem Grund Ausnahmen vorgesehen für öffentliche Feuerwerke wie beispielsweise für den 1. August.

 

Traditionen wie Mythen, Musik oder eben unser Nationalfeiertag werden von Generation zu Generation weitergegeben. Sie können Identität stiften, Sicherheit geben und das Gefühl dazuzugehören stärken.

 

Sehr viele von uns sind digital bestens vernetzt; heute verbringen wir etwa einen Drittel unserer Lebenszeit online bzw. in der digitalen Welt. Welche Auswirkungen das haben wird, wissen wir heute noch nicht so genau und wir wissen auch nicht, ob die zunehmende Vereinsamung in unserer Gesellschaft damit zu tun hat. Wir leben in einer individualisierten Gesellschaft und das bedeutet auch, dass wir das Gefühl haben, auf jede Krise und Herausforderung selbst eine Antwort und eine Lösung finden zu müssen. Ob Klimawandel, Corona, Ukraine-Krieg oder Energiemangel: Wenn wir unsere Komfortzone verlassen müssen, reagieren die meisten von uns mit Unsicherheit und Stress. Dazu kommt, dass die Arbeitswelt schnelllebendiger und komplexer geworden ist und der Leistungs- und Zeitdruck stark zugenommen haben. Und jetzt obendrauf eben noch die Krisen, die das Individuum allein nicht bewältigen kann, welche aber unsere Zukunft bestimmen. Das hinterlässt Spuren in unserer Gesellschaft. Auf all das sind wir nicht vorbereitet. Die meisten von uns sind in einer Welt gross geworden, in der alles immer besser geworden ist. Auch meine Eltern haben sich gewünscht, dass wir Kinder es einmal besser haben. Diesen Wunsch hatte ich für meine Kinder so nicht mehr; ich habe mir aber gewünscht, dass sie in einer friedlichen und nachhaltigen Welt leben können.

 

Zusammen mit dem Herrn Landammann und mit der Frau Vizelandammann habe ich letzte Woche an der 1. August-Feier des Schweizer Generalkonsulats in Stuttgart teilgenommen. In einem ersten Teil haben wir innovative Mobilitätsprojekte aus dem Kanton Solothurn vorgestellt: Cargo sous terrain, Smartflyer und lighTram. In allen Projekten geht es um die Elektrifizierung unserer Mobilität – kein einfaches, aber wichtiges Thema.

 

Die Schweiz ist eines der innovativsten und gleichzeitig eines der traditionsreichsten Länder der Welt. Traditionen und Innovationen beeinflussen einander und zusammen haben sie die Schweiz erfolgreich gemacht. Die lange Tradition der schweizer Uhrmacherkunst ist bis heute die Grundlage für die Innovationen in der Präzisionsmechanik am Jurasüdfuss.

 

Auch die jahrhundertealte Tradition der Milchwirtschaft und die Käserei hat dazu beigetragen, dass in der Schweiz Dank modernen Technologien heute 170'000 Tonnen Käse pro Jahr hergestellt werden und dieses Gewerbe volkswirtschaftlich bedeutend ist.

 

In einem zweiten Teil ist die Sankt Margariten Bruderschaft aufgetreten am 1. August in Stuttgart. Sie ist die älteste Bruderschaft der Stadt und vom Kanton Solothurn. Gemäss geschichtlicher Überlieferung sollen die Solothurner Vorstädter direkt von der Chilbi weg im Juli 1499 in die Schlacht bei Dornach gezogen sein. Es war der König Maximilian gewesen, welcher damals die Festung Dorneck – sie hat den Solothurner gehörte – angegriffen hat. Die Gefahr war gross, dass durch die Einnahme des Dornecks ein Vorstoss bis ins Aaretal möglich geworden wäre. Solothurn hat die verbündeten Eidgenossen zu Hilfe gerufen und eine Truppe aus Berner, Zürcher, Luzerner, Zuger und Solothurner hat in einem Überraschungsangriff das Heer von König Maximilian geschlagen. Der König wurde gezwungen, mit den Eidgenossen noch im gleichen Jahr Frieden zu schliessen und durch diesen «Frieden von Basel» wurde die eigenständige Entwicklung der Eidgenossenschaft möglich.

 

Die deutschen Gäste haben sich gefreut über den Auftritt der Bruderschaft in ihren historischen Kleidern mit Hellebarte und Schwerter, welche übrigens erst nach einigem hin und her über die Grenze genommen werden durften. Der baden-württembergische Verkehrsminister Hermann hat sich in seiner Rede bedankt und der Schweiz zu ihrem ewigen Frieden – wie er es genannt hat – gratuliert und festgestellt, dass uns das Wohlstand und Glück gebracht habe. Der Blick von aussen auf die Schweiz ist im Bundesland Baden-Württemberg sehr wohlwollend. Wir sind Nachbarn und pflegen gute wirtschaftliche Beziehungen, welche geprägt sind von gegenseitiger Wertschätzung.

 

Für die Schweiz ist es wichtig, innerhalb der EU Freunde zu haben, die verstehen, wie die Schweiz funktioniert. Die Schweiz ist bekanntlich am Verhandeln über die Weiterentwicklung des bilateralen Wegs. In einigen Bereichen gibt es Fortschritt in anderen – etwa Zuwanderung oder beim Lohnschutz – sind noch einige Fragen offen. Parallel zu den Verhandlungen mit der EU führt der Bundesrat Gespräche mit verschiedenen Interessengruppen und auch mit den Kantonen. Nicht nur in Brüssel, sondern auch bei uns wird es sehr zäh werden. Es ist ein zentrales Dossier für die Schweiz und doch will niemand so richtig Verantwortung übernehmen. Spätestens wenn das Verhandlungsergebnis vorliegt, kommen wir aber nicht darum herum, das dafür und dagegen sehr sorgfältig abzuwägen.

 

Die Schweiz kann Demokratie, weil wir viel Erfahrung und eine lange demokratische Tradition haben; das gibt mir persönlich das Vertrauen, dass wir auch im heiklen und sehr umstrittenen EU-Dossier unseren Weg finden werden, weil wir trotz allen Differenzen, Gräben und Unterschieden aus Tradition zusammenhalten.

 

Seit über 700 Jahren gibt es die Schweiz, obwohl uns keine Sprache, keine Kultur, keine Religion und schon gar nicht die Geographie zusammenhalten. Mythen und Legenden – ob falsch oder richtig – prägen unser Bild der Schweiz und erst im 19. Jahrhundert ist die Idee der Schweiz als Nation entstanden mit einer gemeinsamen Verfassung, gemeinsamer Regierung und gemeinsamen Werten und Normen.

 

Die Schweiz ist gut organisiert, bürokratisiert, funktioniert immer und regelt unseren Alltag. Die Verwaltungen sorgen für den Ausgleich zwischen Jung und Alt, Stadt und Land, Arm und Reich und zwischen den Landesteilen. Die Bürokratie hat die Willensnation zusammengeführt und trotzdem ist es richtig, dass wir heute über ein Gesetz für weniger Bürokratie diskutieren; auch Traditionen müssen sich anpassen.

 

Die Schweiz ist auch ein Produkt und Swissness – das weisse Kreuz auf rotem Grund – immer ein gutes Verkaufsargument, vor allem auch im Inland. Die Schweiz ist wirtschaftlich ausserordentlich erfolgreich und das hat uns Sicherheit und Wohlstand gebracht. Insgesamt wird die Schweiz von einem feinen Netz aus verschiedenen – materiellen und immateriellen – Faktoren zusammengehalten und wir alle knüpfen bewusst oder unbewusst an diesem tragenden Netz weiter.

 

In der Rolle als Regierungsrätin werde ich noch ein Jahr mit viel Freude und Überzeugung weiterknüpfen an diesem Netz und anschliessend als sehr interessierte Bürgerin in anderen Bereichen.

 

Ich wünsche Ihnen einen gemütlichen 1. August mit guten Gesprächen und danke für Ihre Aufmerksamkeit.


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